GESELLSCHAFT
     Die Feuerwehren in Bayern haben genug Aktive. Aber es wird schwieriger, vom Arbeitsplatz zum Einsatz zu gehen. Und der Aufwand ist hoch. Auch in der Freizeit.

von Otto Lapp, Fränkischer Tag               Fotos: Barbara Herbst, Fränkischer Tag

Kirchehrenbach   Müde ist sie. Und so richtig Lust hat sie auch nicht. Es war ein stressiger Arbeitstag und ihren Feierabend kann sie löschen. Lena Gebhardt (19) hat Einsatz heute Abend. Die monatliche Übung bei der Freiwilligen Feuerwehr Kirchehrenbach bei Forchheim steht an. Gleich wird eine Pferdepension im Dorf brennen. 30 Pferde werden in Gefahr sein, drei Mädchen irgendwo im dichten Rauch liegen. Es ist nur so tun als ob. Und Lena muss tun, als ob sie nichtmüde wäre. Erst mal raus aus den Büroklamotten, rein in den Feuerwehranzug. Die Männer ziehen sich in der Garage vom Feuerwehrhaus um, Lena verschwindet um die Ecke. Dort wird’s auch nicht viel wärmer sein. Noch wissen die Feuerwehrler nicht, was auf sie zukommen wird. Das ist Sinn der Übung. Etwa 30 Einsätze fährt die Wehr pro Jahr. Da kann auch alles kommen, nichts ist planbar. Ob alle nötigen Einsatzkräfte kommen – das ist auch nicht planbar. Lena arbeitet bei der Sparkasse. Immer weg kann sie auch nicht in ihrer Arbeitszeit. Meistens schon. Ein anderer Kollege ist Verkäufer im Möbelhaus. Wenn Kunden da sind, läuft der Einsatz ohne ihn. Dann die Schichtarbeiter und Pendler, die weit weg arbeiten. Noch geht es, sind genug da beim Einsatz. „Aber es wird zunehmend schwieriger“, sagt Sebastian Müller (25), der Pressesprecher. Heute Abend sind 18 Leute da, so viel wie schon lange nicht mehr. Oder wie Feuerwehrler Müller sagt: „Mannschaftsmäßig schaut’s gut aus.“

Andere Feuerwehrverantwortliche, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchten, werden deutlicher: „Freiwillige Feuerwehr als Hobby? Das ist in manchen Firmen ein Karrierekiller“, sagt jemand aus Unterfranken. Es gibt sogar Fälle, in denen dem Mitarbeiter wegen seines Engagements bei der Feuerwehr gekündigt werden sollte. Einzelfälle, sagt Alfons Weinzierl. Der Vorsitzende des Landesfeuerwehrverbandes Bayern sieht im Freistaat die Welt noch in Ordnung. Die Arbeitgeber seien den 325.621 freiwilligen Einsatzkräften der insgesamt 7.708 Feuerwehren gegenüber sehr offen. „Weil sie wissen, was dahintersteckt.“


„Feuerwehr als Hobby? Das ist in manchen Firmen ein Karrierekiller.“
  Feuerwehrfunktionär zur Nachwuchssituation


"Der Angriffstrupp macht was?" Der Einsatz rückt näher, der Kommandoton ersetzt das Geplauder. Übungsleiter Max Sponsel (22) ist der Chef. Lena, jetzt mit Helm und Anzug: „Verteiler selber setzen.“ Wer verkuppelt die Saugleitung? Wie sind die Befehle? Das muss geübt werden heute Abend. Denn beim Einsatz vor kurzem waren sie mit einem falschen Schlauch losgerannt. „Das war nicht der Befehl.“ Aber heute bleibt der Angriffsschlauch trocken. Kein Wasser, ist ja nur eine Übung. Müde sein gilt trotzdem nicht. Jetzt brennt’s. Aus dem Dachgeschoss überm Pferdestall quillt Rauch, Übungsrauch. Wie in der Disco. Die Opfer, drei junge Mädchen, legen sich auf den Boden, sie lachen.
19.50 Uhr: die Alarmierung. Fünf Minuten später ist der Löschzug da. Schlauchrolle raus, Verteiler setzen, Atemschutz auf, Schlauch raus, Schlauchkoffer die Treppe hochschleppen. Und das am Feierabend. Einer der jungen Feuerwehrleute fährt gerade mit seinem Auto am Einsatz vorbei. Der Nachwuchs ist – noch da. In Kirchehrenbach zählt Sebastian Müller 15 Jugendliche. Ganz ordentlich bei 43 Aktiven. Aber es werden weniger Kinder, auch in Kirchehrenbach. Und dann gibt es noch nebenan das THW. Und die Schützen. Die Gesangvereine. Die Sportvereine. Alles starke Konkurrenten um den Nachwuchs. Schließlich kommen die meisten Feuerwehrler aus dem Nachwuchs der eigenen Reihen.

Rund 50 000 jugendliche Feuerwehrleute zwischen zwölf und 18 Jahren gibt es in den Freiwilligen Feuerwehren in Bayern. Aber das waren vor 30 Jahren mehr als doppelt so viele. Langsam schlagen die geburtenschwachen Jahrgänge durch, sagt Alfons Weinzierl, Bayerns oberster Feuerwehrmann. In zehn bis 15 Jahren werden es noch weniger sein. Die Feuerwehr reagiert: mit einer auf drei Jahre angelegten Image-Kampagne, die im Herbst startet. „Komm zur Feuerwehr“, heißt es da, „einen Beitrag leisten für das öffentliche Leben!“ Aber wer sei dazu heute noch bereit?
Das fragt sich Stefan Ullrich, Kommandant der Großostheimer Ortsfeuerwehr im Unterfränkischen. Nachts eine Ölspur wegkehren. „Wer macht so was?“ Die Gemeinde Großostheim geht andere Wege. Dort werden für freie Stellen im Bauhof etwa bevorzugt Feuerwehrler genommen. „Bei gleicher Qualifikation ist das entscheidend“, sagt Bürgermeister Hans Klug (CSU). Zwölf Einsatzkräfte, auf die im Notfall Verlass ist. Denn der Arbeitgeber ist der Staat. Schon lange fordern Feuerwehrverbände, Angestellte im öffentlichen Dienst für die Freiwillige Feuerwehr zu motivieren. „Diese Menschen können leichter vom Arbeitsplatz freigestellt werden. Hier ist auch der Konkurrenzdruck kleiner“, sagt etwa Rupert Saller. Der Leiter der Freiwilligen Feuerwehr München hat es zunehmend schwer, seine Einsatzzüge mit erfahrenen Helfern voll zu bekommen. Oft fahren sogar schon Schüler mit zum Einsatz.

Engpässe in den Städten

Dabei bekommen die Firmen Geld, wenn ihr Mitarbeiter zum Einsatz ausrückt. Aber trotzdem: Es geht einfach nicht immer. Obwohl es sogar laut bayerischem Feuerwehrgesetz einen Anspruch auf Freistellung zum Einsatz gibt. Aber was nützt es dem kleinen Handwerksbetrieb, wenn der Mitarbeiter bezahlt wird, die Küche aber erst später montiert werden kann? In manchen Städten könne es deshalb tagsüber schon eng werden, sagt Weinzierl. Jetzt ist auch Lena da. Ihre Kollegen haben die drei Mädchen gerettet. Lena wartet an ihrem Schlauch, bis der Befehl kommt. Sie kennt das. Seit fünf Jahren ist sie dabei. Mit „rein“ darf sie noch nicht. Als dieser Lehrgang lief, hatte sie Abschlussprüfung als Bankkauffrau. Wenn ein Einsatz ist, muss sie abwägen. Um eine Katze vom Baum zu holen, verlässt sie den Schalter nicht. Nach mehr als einer Stunde ist Übung vorbei, der Feierabend auch. Es ist fast halb neun. Lena schleppt Schläuche. Wenigstens die fehlende Lust ist gekommen. Aber müde sieht sie aus.

 

Die Feuerwehr Kirchehrenbach dankt dem Fränkischen Tag für die angenehme Zusammenarbeit, besonders Frau Herbst und Herrn Lapp.    smü


Titelseite des Fränkischen Tags vom 8. April 2011